#singenistgesund...und eine Art "emotional workout" für alle Generationen.

Singen kennt kein Alter!

In dieser Zeit der „Zwangsabstinenz“ wird einem die Bedeutung des Singens noch einmal ganz anders und eindrücklich bewusst.

Die immense Bedeutung des Singens ist generationenüberspannend.

Sie fängt beim Kleinkind an, eigentlich noch früher, und reicht bis ins hohe Alter.
Bereits im Mutterleib nehmen Embryos die Schwingungen der Töne war, die ihre Mütter singen, und faszinierenderweise können manche sehr alte, an Demenz erkrankte Menschen, immer noch ganze Lieder auswendig vortragen.
Kleine Kinder singen voller Begeisterung spannende Geschichten auf der Kuckucksterz und ältere Menschen strahlen, wenn sie gemeinsam mit anderen „Zeitgenossen“ die Lieder ihrer Jugend anstimmen können.
Für Jugendliche ist die Musik, die sie hören und zu der sie singen, ein wesentlicher Bestandteil ihrer Welt und des Erwachsenwerdens. Und deren Eltern, die „Mid-Agers“, oder deren Großeltern singen oft seit Jahren oder Jahrzehnten begeistert in Chören – und finden im zahlreichen chorischen Angebot IHREN CHOR - ihre musikalische Erfüllung und eine soziale Gemeinschaft, der sie sich zugehörig fühlen können.

Bei allen Negativ-Schlagzeilen, die Covid19 dem Chorsingen in den letzten Monaten beschert hat:

🎵😊 Die positiven Effekte des gemeinsamen Singens sind vielfältig und in zahlreichen Studien erwiesen. 😊🎵

(Dazu verlinke ich untenstehend noch einen interessanten Artikel.)

Unbestritten sind die Effekte des Singens auf das allgemeine Wohlbefinden, die Zufriedenheit und die körperliche und psychische Gesundheit. Die Chorprobe kann gar als „emotional workout“ bezeichnet werden, das zum „emotional wellbeing“ beiträgt – und Angst, Sorgen und Stress reduziert.
Chorsingen kann auch über persönliche Krisen und Schwierigkeiten hinwegtrösten. Und nicht zuletzt darf man sich aufgehoben fühlen in einer oft über Jahre und Jahrzehnte zusammengeschweißten Gemeinschaft, die für einzelne Chormitglieder da ist, wenn diese Hilfe benötigen.
Insbesondere bei älteren Sänger*innen löst das Singen im Chor auch eine gewisse kognitive Befriedung aus – durch intellektuelles Gefordert-Sein in den Proben.

Es wird hoffentlich bald eine Zeit nach Covid19 geben, in der wir alle gefragt sein werden, mit all unserer Leidenschaft, Überzeugung und Freude dem Singen wieder das positive Image zu verleihen, das es verdient, und von dem wir zu Recht überzeugt sind.

Hier wird die Bedeutung der „Nachwuchsarbeit“ insbesondere in den nächsten Jahren, nach überstandener Covid-Krise, nicht zu unterschätzen sein. Wenn wir auch 2050 noch sangeskräftige Chöre haben wollen, müssen wir heute die Sänger*innen der Zukunft begeistern und ausbilden. Leiter*innen von Kinderchören sowie Pädagoginnen und Pädagogen in den Schulen mit ihren Schulchören leisten hier unglaublich wichtige und bereichernde Arbeit - für die Persönlichkeitsentwicklung und stimmliche Entwicklung der jungen Menschen. Und, langfristig gesehen, für die Zukunft des Chorgesangs.

Der künstlerische Leiter der Wiener Sängerknaben, Gerald Wirth, sagte in einem schönen Interview, das ich vor kurzem in der “Tips Enns” gelesen habe: „Die Kinder lernen bei den Wiener Sängerknaben nicht nur, wie man richtig und schön singt, sie lernen sich in Musik ausdrücken, sie lernen, auf andere und aufeinander zu hören, gemeinsam Musik zu machen. Gleichzeitig werden sie im besten Sinn selbstbewusster, sie wachsen. Musik und vor allem Singen lassen die Persönlichkeit eines Kindes richtiggehend aufblühen. Es ist ein absolutes Privileg, diese Entwicklung der Stimme und Persönlichkeit der Kinder mitzuerleben.“

Wenn Kinder und Jugendliche das gemeinsame Singen im Chor erleben dürfen, dann erleben sie: Gemeinschaft, Zugehörigkeit, die Möglichkeit, sich gemeinsam mit anderen Gleichgesinnten auszudrücken. Sie erfahren, was es bedeutet, diszipliniert auf Ziele hinzuarbeiten, und als „Belohnung“ bei Auftritten die Ernte für die fleißige Probenarbeit einzuholen.
Wenn man als junger Mensch diese prägenden und schönen Erfahrungen gemacht hat, sehnt man sich, selbst wenn dazwischen vielleicht einige „singfreie“ Jahre liegen, später einmal wieder danach zurück. Davon bin ich überzeugt!

Und: für die „Mid-Agers“ gibt es in der österreichischen Chorszene genügend tolle Angebote. Kirchenchöre, weltliche Chöre, Gospelchöre, Frauenchöre, Männerchöre, renommierte Konzertchöre – das Angebot ist vielfältig und man kann sich im eigenen Umfeld je nach Anspruch und präferiertem Musikgenre einen passenden Chor suchen.

Einige Problematiken, über die man als Chorleiter*in dennoch nachdenken kann, beziehungsweise die sich meiner Ansicht nach zwangsläufig ergeben:
Es gibt genügend Chöre, die mit dem Chorleiter oder der Chorleiterin gemeinsam altern. Ein Beispiel: der ehemalige Jugendchor wird gemeinsam älter und ist, wenn man ehrlich ist, nur mehr im Herzen jung. 😉
Irgendwann steht man als Chorleiter*in und Chor gezwungenermaßen vor den Fragen:

  • Passt das Repertoire, das wir singen, eigentlich noch zu uns?
    Sowohl vom Genre als auch von der Schwierigkeit her?

  • Oder müssen sollten wir an einem neuen Selbstverständnis feilen und uns neu definieren?

In den letzten Wochen hatte ich, an diese Fragen anschließend, verstärkt folgenden Gedanken:
Für uns, die wir in der Chorarbeit tätig sind, wird es in Zukunft immer wichtiger sein, chorische Angebote für ALLE LEBENSPHASEN im Blick zu haben.
Hierbei gilt es meiner Einschätzung nach auch, den demographischen Wandel unserer Gesellschaft nicht zu ignorieren. Unsere Gesellschaft wird älter und fitter, wie die Statistik Austria vor kurzem wieder erhoben hat, und diese Erkenntnis soll und wird sich meiner Ansicht nach in den nächsten Jahren und Jahrzehnten auch in unserer Chorlandschaft widerspiegeln.

Was passiert mit den älteren Menschen im Chor, die eventuell aus verschiedenen Gründen (stimmlich, körperlich, kognitiv) „nicht mehr in die Chorstruktur passen“? Wie können wir es schaffen, diesen Menschen eine Möglichkeit zu bieten, in Würde singend zu altern?
Das sind heikle und sensible Themen.

Hier sehe ich zwei schöne Lösungsansätze.

Einerseits:

  • Intergenerative Singangebote zu schaffen und zu fördern. Generationen können voneinander lernen und sich gegenseitig befruchten. Das kann auch beim Singen und Musizieren so sein. Jede*r hat Platz und ist wichtig, jung UND alt!

  • Vielleicht könnte, konkret weitergedacht, auch das generationsübergreifende Singen in Form von Chorprojekten forciert werden? Hier denke ich im Speziellen an den kirchlichen Kontext, wo meines Erachtens generell viel zu sehr getrennt wird zwischen: „kindgerechte Lieder“, „fetziges“ Liedgut für junge Leute und die „restliche Kirchenmusik“, anstatt ein gemeinsames generationenübergreifendes Liedgut aufzubauen.

Andererseits:

Wo wir in der österreichischen Chorszene definitiv noch Aufholbedarf haben, ist, dezidierte chorische Angebote für Menschen im dritten und vierten Lebensalter zu schaffen (für die „Silver Agers“ und „Golden Agers“). In Deutschland ist hierfür das Wort „Seniorenchor“ im Gebrauch und es gibt schon zahlreiche Chöre in unterschiedlichen Regionen, die sich explizit an Menschen 60+ richten. Das Angebot reicht von Rock-Pop-Chören mit teils sehr kreativen Namen, über klassische Chöre, Tanzchöre und Improvisationschöre bis hin zu Demenzchören.

Die Leitung solcher Chöre ist vielfältig herausfordernd: sie erfordert sowohl chorleiterische und stimmbildnerische als auch empathische und musikgeragogische Fähigkeiten und ein scharfes Bewusstsein für die Bedürfnisse der Klientel. Aber ich stelle mir diese Arbeit dennoch zutiefst beglückend und bereichernd vor.

Und: auch mit und für sehr alte und demente Menschen zu musizieren kann sehr berührend sein. In der Corona-Zeit durfte ich selbst schöne Erlebnisse beim Musizieren in Seniorenheimen sammeln. Ein paar Musikerkolleg*innen und ich haben eigens dafür die 7-köpfige Band „Fredy und die Marzipan-Combo“ ins Leben gerufen und für die Bewohner*innen der Heime und das Pflegepersonal Schlager und Evergreens musiziert. Es war faszinierend zu sehen, welchen Effekt die Musik auf die Bewohner*innen gerade in dieser schwierigen Zeit, in der sie kaum Besuch empfangen durften, hatte. Es wurde viel gelacht und teilweise sogar inbrünstig mitgesungen!

Ja – die Bedeutung von Musik und gemeinsamem Singen ist seit Generationen und für Generationen immens und beeindruckt mich immer wieder.
Singen ist, wenn man so will, allumfassend.

Und:
Singen kennt kein Alter!

In diesem Bewusstsein schicke ich Dir liebe Grüße und freue mich wie immer über Rückmeldungen/einen Ideenaustausch/Diskussionen/Fragen per E-Mail (mail@marinaschacherl.at).

Außerdem möchte ich Dich herzlich einladen, meinen frischgebackenen Newsletter zu abonnieren. Darin teile ich mit Dir einmal im Monat per E-Mail meine Gedanken und Ideen zum Thema (Chor)singen, interessante Informationen zu unterschiedlichen chorleiterischen Themen, Tipps zu aktuellen Veranstaltungen und zu lesenswerten Büchern. Und ich informiere Dich auf diesem Wege gerne über neue Blog-Artikel und aktuelle Folgen meines Podcasts „Chor & Stimme“ (das ist mein neuestes Projekt - coming soon… 😉).

Deine
Marina


  • Ein Artikel über die zahlreichen positiven Auswirkungen des Singens auf die Gesundheit: Warum Singen gesund ist

  • Ein Interview mit dem künstlerischen Leiter der Wiener Sängerknaben, Gerald Wirth, in der “Tips Enns” vom 18.11.2020, nachzulesen hier.

  • Auf der Website singen-im-alter.de gibt es aktuelle Informationen und Literatur zum Thema „Singen im Alter“ sowie ein Verzeichnis der Seniorenchöre in Deutschland. Beeindruckend!

  • Zwei sehr berührende Filmtipps habe ich noch für Dich:

    Der Dokumentarfilm “young@heart”, in dem es um einen in den 1980er Jahren von Bob Cilman gegründeten amerikanischen Chor geht, der sich auf die Interpretation von Punk- und Rocksongs spezialisiert hat. Das Besondere dabei: das Durchschnittsalter des Chores beträgt 80 Jahre. 😉 Hier geht´s zum deutschen Trailer zum Film.

    Der bewegende Dokumentarfilm “Alive inside – Musik gegen Demenz”, in dem der Sozialarbeiter Dan Cohen bei Alzheimer-Patienten mit Hilfe von Musik Erinnerungen wachruft. Diesen Film kann man sich sogar auf YouTube anschauen.

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